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Ein Kommentar zu "Regeln im Rollenspiel (Teil 5) – Strukturen und Mechaniken"

bei RPGnosis (https://rpgnosis.wordpress.com/2018/11/15/regeln-im-rollenspiel-teil-5-strukturen-und-mechaniken/).

Der Alexandrinian, an dessen Überlegungen sich RPGnosis für den Beitrag bedient, leitet seine Serie zu Spielstrukturen mit dem folgenden Satz ein:

"One of the most overlooked aspects in the design and play of traditional roleplaying games is the underlying game structure."

Oder: Sprechen der Alexandrinian und RPGnosis über Spielstrukturen, dann sprechen sie über traditionelle Rollenspiele. Da die mich wiederum nicht interessieren, gäbe es eigentlich keinen Grund, mich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen, zumal Spielstruktur in meinem Kopf ganz anders besetzt ist. Für prozedurales Spiel im Sinne des DramaSystem, d.h. Figuren, die in der Gruppe äußere Hindernisse überwinden, ist es - auf der Suche nach Konsequenzen - sicher relevant mit der Situation und der Frage: Was tun die Figuren? anzufangen. Es wird im engen Rahmen von Handlungsmöglichkeiten gedacht. Es geht darum, was die Figuren zu tun vermögen, wohin sie vorstoßen können. Dementsprechend kommen dann auch die Spielbeispiele in RPGnosis Text immer auf "Proben" zurück. Für Rollenspiele, die anders funktionieren, ist all das freilich von geringer Bedeutung.

Leider bleiben die beiden nun nicht bei ihrem Leisten, sondern versuchen andere Rollenspiele (die RPGnosis irreführend als Erzählspiele bezeichnet - Erzählspiele sind Gesellschaftsspiele wie Hobbit-Geschichten aus dem Grünen Drachen) in ihr Modell zu zwingen, was zu falschen Annahmen über selbige führt. RPGnosis kommt ins Schwimmen, wo es um Indie-Rollenspiele geht: Erst ist die Rede von "fehlenden Spielstrukturen", die durch "spielweltunabhängige Mechaniken" aufgefangen würden, um "'alles' einfach ab[zu]bilden." Dann wird das teilweise zurückgenommen und es heißt stattdessen: "denn auch das sind Spielstrukturen, nur eben sehr einfache." Daraus wird gefolgert, dass es hier "von der Spielstruktur her gesehen egal" sei, wie man bspw. mit einem Banditen verfährt und das überdies "die Konsequenzen der einen oder anderen Lösung weniger aus der Spielwelt, als vielmehr aus der Vorstellung von einer 'guten Geschichte'" herrührten.

Dabei erscheint der Umgang mit dem armen Banditen nur vor dem Hintergrund traditioneller Regelmechaniken egal. Verlässt man diese Warte, eröffnen sich neue Perspektiven, die nur schwer mit der Idee einer situationsgebundenen Spielstruktur vereinbar sind. Der Bandit könnte so z.B. im Indie-Rollenspiel Swords without Master auftauchen. Hier hat sich das Verhalten der Figuren nach einem vorher ausgewürfelten Ton - jovial oder glum - zu richten, d.h. wie mit dem Banditen umgegangen wird ist höchst relevant und alle Augen sind auf dieses Spielweltdetail gerichtet, weil wir ja auf den zu treffenden Ton warten. In Dog Eat Dog wiederum könnte der Umgang mit dem Banditen im Nachhinein relevant werden, wenn daraus eine Verhaltensregel abgeleitet wird oder die Spielerin der Kolonialmacht basierend auf dem Verhalten einen Regelbruch feststellt. In Remember Tomorrow könnten verschiedene Conditions einen bestimmten Umgang nahelegen oder aus ihm folgen. Und in Durance kann - selbst wenn ich den Mechanismus zur Konfliktlösung überhaupt nicht einsetze - die "Spielstruktur" immer noch sein, dass ich den Umgang mit dem Banditen als Gradmesser für den inneren Zustand meiner Figur nehme und daraus weiteres Verhalten ableite, Rollenspiel eben.

Über das Rechtfertigen von Konsequenzen mit der "guten Geschichte" ärgere ich mich selbst oft genug, allerdings nicht, weil sie nicht aus der Spielwelt kämen (wie soll das gehen? Jedes Rollenspiel hat eine Spielwelt). Ich habe das auf G+ mal so formuliert:

"Nur hat die Frage, was denn jetzt cooler für die Geschichte sei, erfahrungsgemäß gestellt während des Vorlegens einer Szene oder vor dem Auflösen, damit nichts zu tun. Die Frage bricht entweder dreist bestehende Regeln oder leitet wenigstens eine Diskussion ein, die dem Was und dem Wie die Möglichkeit nimmt, herausgefunden zu werden und Antworten im Vakuum herbeireden will. Ironischerweise unterhalten wir uns ab diesem Punkt genau nicht mehr darüber, was am coolsten,interessantesten und spannendsten für die Geschichte ist, denn dann würden wir ja das verdammte Spiel spielen, wären in der Konversation, die das Spielen ausmacht, sondern versuchen, sowas wie pseudo-fiktionale Elemente im Hinblick darauf zu validieren - wir sollen einstimmig antworten "X ist am besten für die Geschichte" -, ob sie möglicherweise ein interessanter Spielinhalt sein könnten, eine Möglichkeit, die wir mit dieser Diskussion selbst gänzlich zerstören."

Entscheidungen aus der Figurenperspektive zu treffen, verhindert das alles selbstverständlich nicht. Das geht, wie oben an Durance gezeigt, ja ohnehin jederzeit. Und es sind im Übrigen gerade Indie-Rollenspiele, die besonders gut darin sind, die Figuren vor spannende Entscheidungen zu stellen, es auf die Zerreißprobe ankommen zu lassen.

Es folgt: Wenn RPGnosis unter dem Einfluss des Alexandrinian "wirkliches Rollenspiel" beschwört, mag das spielpolitisch begründet sein, faktisch sicher nicht.

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